„Kleines Gedicht“ zum Abschied am Orff-Institut

Am Tag und in der Nacht
hab ich ein Gedicht gemacht.
Ich reim so gern a a b b,
doch – wie bekomm ich so den Dreh
zu meinem Thema?

Es ist, so mein ich, hochinteressant.
Geht alle an. Ihr seid gespannt?
Geduld. Noch ein, zwei Reime müssen sein,
dann komm ich zielgerade rein.
Sekunden noch lauscht den Lauten hier,
Sekunden noch zügelt eure Begier.
Gleich ist es geschafft,
– fa-bel-haft!

Die Intro, die war sehr gewandt.
Mein Thema heißt

Im Ruhestand

Ruhe. Stand.

Bin bewegt.
Aufgeregt.
Weiß nicht: War es richtig?
Weiß doch: Es ist wichtig.

Ruhestand – ein Punkt im Leben?
Nein, denn mit dem Punkt schließt nur ein Satz.
Ein Absatz vielleicht, ein neuer Gedanke?
Noch immer zu wenig
– ein neues Kapitel beginnt
in jenem Buch,
in dem sich unser Leben schreibt.

Mein Ruhestand.
Ein tolles Kapitel.
Sollten Sie auch erleben!
Möcht Ihnen, ehrlich, was davon abgeben!
Eine Riesenchance!
Einmalig!!
Ich mach alles neu!!!

Da spricht etwas leise: Bleibe dir treu.

Übernimm dich nicht, du bist kein Riese.
Bring dich nicht selber in eine Krise.
Kleine Brötchen schmecken oft gut.
Lass einfach kommen, doch sei auf der Hut,
sei offen!
Denn erstens kommt es anders
und zweitens als man denkt!

Also nicht
große Wünsche
Vorsätze
Pläne
(andere, kühnere, bessere, schönere)
sondern
kleine Wünsche,

           Wünschchen

Am Morgen in Ruhe erwachen.
Stille Neigungen anfachen.
Das Wachsen der Keime bewachen.
Gedanken einfach machen.
Viel Lachen.
Lachen.
Lesen. Reden. Horchen. Fragen.
Lesen. Reden. Horchen. Sagen.
Selten klagen.
Was nötig ist tragen.
Zum Behagen Ja sagen.
Etwas wagen.
Für Wichtiges plagen
und sich überwinden,
solange die Kräfte nicht schwinden.

Wer rastet, der rostet!
Der Geist braucht den Körper.
„Wie bei Stephen Hawking?“
„Ist doch was anderes! Denk lieber an Arnold, den Schwarzenegger!“
Ja, ja, wie Arnold, zum Muskelstrecker
ins Studio:
Alles bewegen. Kraft erregen. Fett ablegen. Body pflegen.
„Auch da was dagegen?“
Nein, nein, muss schon sein: ein bisschen mehr Sport
– ohne Selbstmord:
Wandern, Walken, Laufen …
Laufen! – Nicht zu gemächlich, sondern mit Schnaufen.
Für Fitness ist es nie zu spät.
Ob das auch euch in die Birne geht?
Und auch alles andere nicht vergessen:
Richtig atmen – essen – trinken!
Richtig in die Waagrechte sinken!
Richtig sitzen – schwitzen – stehen – gehen.
Richtig dir selber das Rückgrat verdrehen!
Trainiere beizeiten!, sagt man uns allen,
dann werdet ihr später richtig fallen.
Täglich will ich die Knochen biegen,
täglich den Schweinehund innen bekriegen,
damit mein Kräfte nie versiegen … – stopp!
– einen Reim hätt’ ich fast vergessen,
der kann sich mit all den anderen messen.
Täglich auch, dies sei nicht verschwiegen,
will ich mich an einen Rücken schmiegen.
an einen warmen Rücken schmiegen.
Die Seele verlangt es.
die Seele, die dankt es.

Auch geistige Nahrung gibt es genug.
Sodoko. ?  Sudoko. ?  Soduko. ?
Hab’s jedenfalls auf dem Bettbezug.
Wir machen das täglich, so verkalken wir nie,
oder wirkt auch das wie Anästhesie?

            Didaktik

… war mir ein geistiges Mittel,
bestimmte mein Leben im mittleren Drittel.
So wird es, wahrscheinlich, auch weiterhin sein,
denn immer wieder fällt mir was ein.

Das Orff-Institut hielt mich auf dem Boden
der Kinder. Ich mag sie und ihre Methoden,
die Welt zu erfassen mit allen Sinnen
und jeden Tag wieder neu zu beginnen.
Die Kinder, die unsre Grenzen verwischen,
die Spaß und Spiel und Ernst vermischen,
die sich nie verirren,
und die Pädagogen verwirren.
Ich hoffe, wir halten sie nicht zu klein.
Die Kinder, die wollen größer sein!
Und gehn sie nach Jahren aus diesem Haus,
dann sollen sie sagen:
mit Musik und Tanz kenn ich mich aus.

Doch jetzt eine ernsthafte Mahnung,
ich hab da so ne Ahnung:
Ohne Kinder gäb’s uns hier nicht.
Drum, Studentinnen, tut eure Pflicht!
Und du, Student, hilf ihnen dabei,
damit es hier weiter bevölkert sei.

Musik und Bewegung – ein Mittel allheil
oder vom Menschen ein geringerer Teil?
Musik und Bewegung, so die Lehre,
ist eine Urkraft und keine Chimäre, denn:
Was klingt, das schwingt!
– Ist eh klar, nur:
zu einfach gemacht bleibt’s eben Natur
und wird – pardon – schnell Karikatur.
Es braucht die Hebung zur Kultur!
Was klingt, das schwingt! Quod erat demonstrandum!

Doch fasziniert, was schwingt, schon das Publikum?
Was greift uns ans Sensorium?
Was ist hier das Kriterium?
Das Künstlerische – ein Minimum?

„Und wo, bitte, sehen Sie denn das Elementare?“
Ich werd’ es noch klären, glauben Sie’s mir!“
(Keine Angst, nicht jetzt und nicht hier.)
Doch, wirklich, es setzt mir noch zu – mal sehen, wie lange.
In didaktischen Kämpfen war mir nie bange.
„Erfahrungserschließend“ hieß mein Begriff
1978. Der hatte Pfiff,
war kräftig und schallte
(auch wo’s nicht als mein Echo widerhallte)
ins Land.
Wobei ich bald anderes fand!
Spielpläne
– bis heute ein wichtiger Titel.
Barbara Haselbach schrieb die ersten Tanzkapitel.
Und manch andere hier machten mit.
Ein Werk von Dauer, kein Tageshit.
Das Orff-Institut brachte Musik und Tanz für Kinder
– und für tausende Lehrer nicht minder.
Der Musikater schleicht jetzt wieder neu,
und doch sind die Spuren vom Anfang dabei.
Ich durfte oft leiten,
Prozesse begleiten,
nahm Teil auch am Streiten
der ausgeprägten Persönlichkeiten.
Saß in so mancher Kommission,
machte und dachte,
war verbittert und lachte,
verstärkte und hinderte,
ermöglichte und linderte,
die
Diskussion, Konfusion,
Aggression, Detonation,
Obstruktion, Depression,
Innovation, Mission.
„Bla bla, Herr Professor, erklären Sie’s bitte genauer!“
Haben Sie Geduld: In einigen Jahren bin auch ich schlauer.
Denn du, Manuela, und ich wünsch’ dir viel Glück,
untersuchst jetzt die Geschichte der Orff-Didaktik.
Mein
Fazit heut ist: Hat zu viele Steuer das Schiff,
dann droht (nicht sogleich) das Zerschellen am Riff,
doch macht das Schiff nur wenig Fahrt,
setzt Moos an, liegt oft fest, wird bejahrt.
Und andere Schiffe ziehen vorbei
und irgendwann bricht der Rumpf entzwei.

Ein Steuer also – Wind gibt es genug.
Setzt freudig die Segel, nehmt neue!
Doch nehmt das Maß bei den alten:
dies Maß kann man behalten.
Das Werk Carl Orffs hat noch lange Kraft,
hat schließlich die Weltumrundung geschafft.
Ich zieh tief den Hut
vor dem, was Orff schuf
und auch vor allen, die dann kamen
und in seinem Geist und seinem Namen
dies Institut mit Lust und mit Mut
in guten und auch in schwierigen Tagen
mit ihrer Arbeit haben getragen.
Ein bisschen was hab ich auch getan.
Ich hoffe, ihr bringt es weiter voran.

(2009)